Mittwoch, 19. Oktober 2016

"Argumente gegen Feminismus im Check" im Check


Anne Wizorek wurde von Juliane Frisse interviewt. In diesem Interview wurden Argumente gegen Feminismus unter die Lupe genommen und von Anne Wizorekt kommentiert.


"Feministinnen hassen Männer."
Anne Wizorek: Das ist natürlich Quatsch. Feministinnen hassen das Patriarchat und das zurecht. Eine Gesellschaftsform, in der Männer eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung haben und Frauen herabgesetzt werden, kann nicht gerecht sein. Das Patriachat drängt aber auch Männer in eine stereotype Rolle. Wenn sie zum Beispiel der starke, niemals weinende Alleinernährer einer Familie sein müssen, dann ist das auch ein extremer Druck für viele Jungen und Männer. Genau von diesen einsperrenden Geschlechterrollen wollen wir weg.

Das unsichtbare, nicht greifbare Patriarchat wieder... ("Der Unsichtbare Drache"). Welche bevorzugte Stellung die Männer in einer Gesellschaft haben, das erwähnen Feminist(inn)en nie gerne. In etwa definieren Feminist(inn)en das so: 

"...that the Patriarchy rules the world, 
and that the Patriarchy is a system 
of laws and rules made by men to 
benefit men at the expense of women." 

Es wäre Frau Wizorek's oder Frau Frisse's Chance gewesen, da endlich mal das Kind beim Namen zu nennen. Welche Gesetze wären das konkret, die Männer besser dastehen lassen? Welche Regeln? Abseits der Gesetze, im Alltag, erkenne ich eher mehr eine vorteilhaftere Stellung für Frauen als für Männer. Aber gut. Geduld. 

"Feminismus braucht doch keiner mehr. Ich bin ja schließlich auch eine Frau und ICH habe noch NIE erlebt, dass ich benachteiligt wurde."
Anne Wizorek: Da würde ich antworten, dass es nicht zwangsweise immer um dich selbst und in diesem Moment geht. Altersarmut zum Beispiel betrifft insbesondere Frauen, weil diese sehr häufig in Teilzeit arbeiten müssen, da sie ihre Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Frauen erhalten dadurch am Ende im Schnitt nur die Hälfte der durchschnittlichen Rente, die Männer bezahlt bekommen, obwohl sie genauso gearbeitet haben. Wenn man das selbst noch nicht erlebt hat, dann ist das schön, dann sollte sich diejenige freuen. Aber das ist kein Grund zu sagen, dass wir nicht für uns als Gesellschaft insgesamt etwas Besseres anstreben sollten.

Der Kampf gegen Altersarmut sollte zuerst einmal kein Geschlecht bekommen. 
- der Anteil der erwachsenen obdachlosen Männer liegt bei 72 % (220.000); der Frauenanteil liegt bei 28 % (86.000) - Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. 
- Kinderzeit wird in Rentenversicherung der Mutter automatisch zugeschrieben, ebenso die Kinderzulage, der Vater kann es nur beanspruchen, wenn beide Elternteile zustimmen. 

"Und dann immer dieses spaßbefreite Rumhacken auf jeder Werbung, wo eine Frau im Bikini drauf ist... Männer werden doch genauso zum Sexobjekt gemacht und sollen sich möglichst einen Sixpack antrainieren!"
Anne Wizorek: Der kontinuierliche Zwang zur Selbstoptimierung, auch des Körpers, ist ebenso eine Entwicklung des Neoliberalismus. Das lehnen auch Feministinnen ab. Wenn Menschen zum Beispiel in Bezug auf ihr Aussehen unter Druck gesetzt werden, dann ist das für niemanden wirklich gesund - weder für Männer noch für Frauen. Ich finde daher auch nicht, dass es eine gerechtere Entwicklung ist, zu sagen: "Hey, Frauen waren schon so lange Sexobjekte, jetzt müssen Männer das genauso werden." Es geht schlicht darum, Menschen in ihrer Vielfalt und Schönheit darzustellen und nicht immer an einem Schönheitsideal zu messen, das sie dank Photoshop eh nicht erreichen können.

In keiner solchen "Männerwerbung" steht, dass ich mir ein Sixpack antrainieren soll und ich interpretiere dies auch nicht in eine solche Werbung. Woher dieses Gespinst stammt, ist mir schleierhaft. Ich bin in der Lage zu differenzieren. Richtig, das ist ein Zwang - jedoch ein eigens auferlegter. Es ist nicht die Aufgabe anderer, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Und dass Männer erst jetzt zu Werbeobjekten werden (wie kommt man bitte auf "Sexobjekt"?) ist schlichtweg falsch. Das gibt es bereits seit den 80ern. Es ist die Entscheidung der Hersteller, wen - was - wie sie etwas abbilden und es ist unsere freie Entscheidung, dieses Produkt zu erwerben und uns ggf. einer Modeerscheinung oder einem Schönheitsideal zu unterwerfen.

"Gleichberechtigung ist ja richtig, aber Feministinnen betreiben Gleichmacherei! Männer und Frauen sind nun mal verschieden - das ist wissenschaftlich bewiesen."
Anne Wizorek: Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Menschen, die sind aber nicht unbedingt ausschließlich am Geschlecht festzumachen. Die meisten Argumente, die da kommen, sind ja so was wie: Frauen seien begabter für Erziehungsberufe und Männer angeblich besser in technischen Jobs. Die Hirnforschung hat hier einen Unterschied aufgrund des Geschlechts längst widerlegt, aber er wird immer noch herbeigeredet, um Frauen und Männer in für sie angeblich typische Berufe zu drängen. Da muss also auch ein Update unseres gesellschaftliches Bildes her, anstatt uns immer wieder an einem Bild festzuhalten, das die Männer zu den Jägern macht und die Frauen zu den Sammlerinnen. Außerdem wurde sogar diese Geschlechteraufteilung schon lange wissenschaftlich widerlegt.

Hier muss überhaupt kein Update her, da es niemandem zusteht, in die Erziehung der Eltern reinzureden, wenn eine Familie ihren Sohn "männlich" erziehen will oder offen und dieser später demnach einen "männlichen" Beruf ergreifen möchte oder eher einen "weiblichen". 
Leider, wie so oft, versäumt Frau Wizorek, hier auch mal auf Quellen hinzuweisen, denn es ist sicher interessant, diese Themen und das Wissen zu vertiefen. Zu jeder Studie finde ich womöglich auch eine Gegenstudie... 


"In der vom BBC unterstützten Studie wurden den Befragten 
zwei Tests zur räumlichen Orientierung vorgegeben. Ihr zufolge 
hat sich bei unseren Vorfahren eine Arbeitsteilung zwischen 
Männern und Frauen durchgesetzt. Diese Spezialisierung führte 
dazu, dass sich in den männlichen und weiblichen Gehirnen 
verschiedene Kompetenzen ausgebildet haben. Die Männer waren - 
in allen Kulturen - besser in der "Jäger"-Aufgabe, eine 
dreidimensionale Zielfigur in unterschiedlich gedrehten Positionen 
wiederzuerkennen. Die Frauen konnten sich dagegen besser daran 
erinnern, wo der "richtige" Platz einer bestimmten Figur war. 
In fast allen Kulturen waren sie in dieser für Sammler entscheidenden 
Kompetenz überlegen." Prof. Dr. Ulrich Clement, stern.de 


"Und dann immer diese feministischen Sprach-Nazis: 'Studierende' klingt halt einfach scheiße. Wir haben doch schon immer 'Studenten' gesagt - ist doch eh klar, dass Frauen mitgemeint sind!"
Anne Wizorek: Der Witz ist ja: Unsere Sprache ist schon gegendert. Sie ist halt nur maskulin gegendert, aber das wird als Norm dargestellt und deswegen als neutral. Allein das zeigt schon sehr gut, wie die Machtstrukturen in unserer Gesellschaft funktionieren. Ich habe auch etwas länger gebraucht, um zu merken, wie das auch in meinem Sprachgebrauch funktioniert. Das berühmte "Frauen sind mitgemeint" funktioniert in der Praxis nicht. Auch das wurde mittlerweile durch die Hirnforschung untermauert, wenn sich zum Beispiel bei einer Jobausschreibung, die im generischen Maskulinum formuliert ist, Frauen eben nicht angesprochen fühlen und deshalb auch gar nicht erst bewerben.

"Der Großbuchstabe „I“ sollte den Sexismus in der Sprache bekämpfen. Doch drei Jahrzehnte sprachlicher Gleichbehandlung haben unschöne Texte, aber keine gesellschaftliche Gleichstellung gebracht." - Ingrid Thurner, Ethnologin, Publizistin und Lehrbeauftragte am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien, welt.de

"Feministinnen stellen Männer unter Generalverdacht."
Anne Wizorek: Diese Behauptung stammt aus älteren feministischen Theorien. Dazu muss man vielleicht auch erwähnen, dass es nicht den einen Feminismus gibt, sondern Feminismen. Also verschiedene Richtungen, in die Feminismus gedacht werden kann. Ich finde wichtig, dass Männer, die erkennen, dass Sexismus existiert und ein Problem ist, auch Verantwortung übernehmen und sich dagegen einsetzen. Also nicht einfach nur Sexismus im Stillen verurteilen, sondern wirklich ganz klar Position beziehen, wenn ihr bester Kumpel zum Beispiel Frauen belästigt. Aber es gibt tatsächlich auch immer mehr feministische Männer. Davon abgesehen können Frauen sich genauso sexistisch verhalten, denn sie wachsen auch in dieser Gesellschaft auf, die Frauen und Männer eben anders bewertet. Deswegen müssen wir auch alle an Geschlechtergerechtigkeit arbeiten.

Die meisten Artikel zielen mit dem Generalverdacht in Richtung Männer. Generell assoziiert man Seximus mit dem männlichen Geschlecht. Man sehe sich die YouTube-Videos von selbsternannten Jung-Feministinnen wie Suzie Grime an, welche mittlerweile eine große Fanbase hat. Diese geben dies ungefiltert weiter...
Wenn Julia Schramm von Penis-Kompetenzen spricht (einsplus-Interview) oder Suzie Grime regelmäßig sexistische Salven feuert (z.B. "#Männerhass"-Video), dann ist das natürlich nicht relevant, dies zu zu korrigieren. 

Dazu befragte Juliane in diesem Video Leute auf München's Straßen zu Sexismus... sehr interessant: 
"Also ich finde das nicht ok... als Mann, wenn man 
jetzt sagt "Wir werden ungerecht behandelt!", weil es sind 
ja wir Frauen und um uns Frauen geht's ja in dem Sinne auch." 

Sexismus betrifft nur Frauen? Nur Frauen werden ungerecht behandelt? Und um Sexismus gehts nur um Frauen? Oha... 



Der Artikel erschien hier.
Mein Tipp an alle: do your research!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen